Mond - Erde-Mond-Beziehung 

Erdabbremsung und "Mondflucht"

Bild vergrößernAbbremsung der Erde
©Deiss
Durch Ebbe und Flut wird die Erdrotation allmählich abgebremst. Der Drehimpuls der Erddrehung wird dabei auf den Mond übertragen. Dadurch entfernt sich Mond und Erde langsam voneinander.

Der Mond erzeugt durch seine Schwerkraft auf der Erde die Gezeiten. Die Lage der Flutberge beziehungsweise der Ebbezonen orientiert sich somit an der Position des Mondes. Würde die Erde nicht rotieren, wären die Flutberge auf einer Linie mit dem in etwa 27 Tagen umlaufenden Mond. Die Erdkugel selbst dreht sich aber sehr viel schneller um ihre eigene Achse. Dadurch werden die beiden Flutberge ein Stück mit gezogen und aus der Ideallinie gedreht. Das Wasser der Ozeane versucht zwar möglichst schnell von den Ebbe- zu den Flutzonen zu gelangen, aber durch Reibung auf dem Meeresboden und durch quer liegende Kontinente, die erst umströmt werden müssen, gibt es immer eine Zeitverzögerung. Allzu weit können allerdings die Flutberge durch die Reibungskraft nicht aus der Ideallinie gedreht werden. Denn die Schwerkraft des Mondes greift an diesen Ausbuchtungen an und versucht sie zurückzuziehen. Die Flutberge werden gerade so weit verdreht, bis sich die beiden Kräfte gerade gegenseitig aufheben.

Dadurch, dass die Flutberge vom Mond zurückgehalten werden, wird die Drehung der Erdkugel allmählich wie unter zwei Bremsbacken abgebremst. In der Frühphase der Erde waren die Tage deshalb kürzer als heute. Die Abbremsung wird erst dann zum Erliegen kommen, wenn die Erde genauso wie heute schon der Mond nur noch eine gebundene Rotation ausführt. Bei ihrer Drehung um den gemeinsamen Schwerpunkt werden sich in dieser Situation Mond und Erde immer dieselbe Seite zuwenden.

Bild vergrößernMessung der Entfernung Erde-Mond
©NASA
»Apollo 14

Bei der Gezeitenreibung wird ein Teil der überschüssigen Drehenergie in den Ozeanen in Wärme umgewandelt. Ein anderer Teil wird auf den Mond übertragen, was ihn auf seiner Umlaufbahn beschleunigt und allmählich von der Erde wegtreibt. Denn während der Mond die Flutberge abbremst, üben die aus der Ideallinie gedrehten Flutberge ihrerseits durch ihre überschüssige Schwerkraft ein Drehmoment auf den Mond aus.

Die heute Drift-Rate beträgt 3.82 cm/Jahr. Dieser präzise Messwert ergibt sich aus den Laser-Reflektor-Experimenten, die seit den Apollo-Missionen durchgeführt werden. Wenn Mond und Erde stetig auseinander driften, müssen sie früher näher beieinander gewesen sein. Legt man allerdings die heutige Rate zugrunde, dann dürfte das Doppelsystem Erde-Mond seit höchstens etwa 2 Milliarden Jahren existieren. Aus geologischen Befunden weiß man aber, dass Erde und Mond etwa 4,5 Milliarden Jahre alt sind. Und auch, dass der Mond schon seit mehr als 2 Milliarden Jahren die Erde umkreist.

Die Drift-Rate muss durch irgendeinen rätselhaften Vorgang in der Vergangenheit kleiner gewesen sein. Schon der Mathematiker und Geophysiker George Howard Darwin, Sohn des Begründers der Evolutionstheorie Charles Darwin, hatte vor mehr als 120 Jahren die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der Gezeitenreibung ausgearbeitet. Die Lösung des Rätsels wurde aber erst vor etwa 20 Jahren von Kurt Lambeck und Kirk Hansen gegeben. Die Reibungskraft, die auf die Ozeane wirkt, hängt davon ab, wie auf der Erde die Kontinente verteilt sind. Durch die Plattentektonik verschieben sich die Kontinente und nach wenigen hundert Millionen Jahren ist die Verteilung völlig anders. Zeitweise kleben alle Landmassen in einem einzigen Superkontinent zusammen. Dann allerdings ist die Gezeitenreibung in den Ozeanen und entsprechend die Drift-Rate des Mondes sehr klein.

Bestimmte Bestandteile im Ozean lagern sich schichtweise im Rhythmus der Gezeiten ab. In den Sedimenten der Frühzeit ist somit die Abfolge und Stärke der Gezeiten wie in einem Aufzeichnungsgerät gespeichert, woraus sich schließlich die Drift-Rate des Mondes berechnen lässt. Danach hatte in der Zeit von vor 2,5 Milliarden Jahren bis vor 650 Millionen Jahren die Rate einen Wert von 1,27 cm/Jahr und in der nachfolgenden Zeit von 2,16 cm/Jahr. Gegenwärtig ist sie somit ungewöhnlich groß.




 
 

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Autor dieses Artikels:  Prof. Dr. Bruno Deiss

In Zusammenarbeit mit dem Physikalischen Verein, Frankfurt a.M.
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